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Elektromobilität: Alte Lithium-Ionen-Akkus zu neuem Leben erwecken

Elektrofahrzeuge hinterlassen Berge von ausgedienten Lithium-Ionen-Akkus. Eine neuartige Elektrolytlösung könnte sie künftig wieder auffrischen – und die Lebensdauer drastisch verlängern.
Eine Nahaufnahme eines Batteriepakets auf einem Förderband in einer Fabrik. Die Batterien sind in einem rechteckigen Metallgehäuse angeordnet, mit orangefarbenen Griffen an den Ecken. Das Bild zeigt den industriellen Herstellungsprozess von Batterien, möglicherweise für Elektrofahrzeuge oder Energiespeicherlösungen. Keine Menschen sind im Bild zu sehen.
Der Lithium-Ionen-Akku eines Elektroautos besteht aus vielen einzelnen Zellen, die zu einem Paket verbunden werden.

Ein chinesisches Forschungsteam hat einen Weg gefunden, alte Lithium-Ionen-Akkus wieder zu neuem Leben zu erwecken. Dadurch könnte sowohl die Abfallmenge, die sich durch ausgediente Batterien für Elektrofahrzeuge anhäuft, reduziert werden als auch die Notwendigkeit, neue Batterien zu produzieren. Wie die Gruppe um den Chemiker Yue Gao von der Fudan-Universität in Schanghai in der Fachzeitschrift »Nature« schreibt, entwickelten die Forscher eine spezielle Elektrolytlösung, die sich von außen in eine Akkuzelle injizieren lässt und wieder neue Ladungsträger zur Verfügung stellt. Damit hätten sie den größten Teil der Kapazität wiederherstellen können – der Akku habe anschließend wieder fast so gut funktioniert wie ein neuer Energiespeicher.

Der Akku eines Elektroautos erreicht das Ende seiner Lebensdauer nach etwa acht bis zehn Jahren, wenn die Kapazität auf unter 80 Prozent ihres ursprünglichen Werts gesunken ist. Einem Bericht der Vereinten Nationen zufolge wird die Menge der zu entsorgenden Lithium-Ionen-Akkus von schätzungsweise 900 000 Tonnen im Jahr 2025 auf 20,5 Millionen Tonnen im Jahr 2040 rasant ansteigen. Recyclingmethoden, um wertvolle Rohstoffe wie Lithium und Graphit zurückzugewinnen, stecken größtenteils noch in den Kinderschuhen und lohnen sich wirtschaftlich nicht.

Gao und seine Kollegen wollten deshalb ein Molekül finden, das eine »tote« Zelle wieder auffrischen kann, indem es sie mit neuen Lithium-Ionen versorgt. Aber »wir hatten keine Ahnung, welche Art von Molekül diese Aufgabe erfüllen könnte oder wie dessen chemische Struktur aussehen würde, also haben wir maschinelles Lernen eingesetzt, um uns bei der Suche helfen zu lassen«, sagt Chihao Zhao, Doktorand in Gaos Team. Die Wissenschaftler fütterten ihr KI-Modell mit einer Datenbank elektrochemischer Reaktionen und ließen es nach Molekülen fahnden, die ihre Anforderungen erfüllen, dass sie sich beispielsweise gut in einer gängigen Elektrolytlösung auflösen und relativ billig in der Herstellung sind. Das Modell schlug drei Kandidaten vor, und das Team identifizierte eines davon, ein Salz namens Lithiumtrifluormethansulfinat (LiSO2CF3), als ideal.

Yue Gao vergleicht das Vorhaben mit der Verabreichung einer Infusion an einen menschlichen Patienten. »Wenn wir einem kranken Menschen eine Injektion geben können, um ihm bei der Genesung zu helfen«, sagt er, »warum können wir dann nicht auch einen Zaubertrank für leere Batterien entwickeln?«

Das Team fand in Experimenten heraus, dass die chemische Mischung die Lebensdauer einer Lithium-Eisenphosphat-Akkuzelle (LFP), eines der gängigsten Batterietypen für Elektroautos in China, erheblich verlängern kann. Ein LFP-Akku kann in der Regel etwa 2000-mal aufgeladen und wieder entladen werden, bevor er als »tot« gilt. Durch die Zugabe des neuartigen Elektrolyten konnte das Team den größten Teil der Kapazität der Zelle wiederherstellen, wann immer sie sich dem Schwellenwert näherte. Am Ende des Experiments hatte die Zelle nach fast 12 000 Ladezyklen noch immer eine Kapazität von 96 Prozent. Ein Folgeexperiment zeigte, dass die Methode auch bei NMC-Lithium-Ionen-Akkus (Nickel, Mangan und Kobalt) funktioniert, so Gao.

»Die Arbeit ist revolutionär, weil sie eine neue Idee für die Wiederverwendung von Altbatterien liefert«Jiangong Zhu, Materialwissenschaftler

»Die Arbeit ist revolutionär, weil sie eine neue Idee für die Wiederverwendung von Altbatterien liefert«, sagt Jiangong Zhu von der Tongji-Universität in Schanghai, der ebenfalls die Verwendung von Batterien in Elektrofahrzeugen erforscht, aber nicht an der neuen Studie beteiligt war.

Einem Social-Media-Post zufolge arbeitet die Fudan-Universität bereits mit dem in China ansässigen Batteriematerialhersteller Zhejiang Yongtai New Material zusammen, um die Methode zu kommerzialisieren. Er stelle sich ein flächendeckendes System von »Battery-Boosting-Stationen« vor, sagt Gao, an denen die Besitzer von Elektrofahrzeugen ihre leeren Batterien zur Auffrischung abgeben können.

Zuvor gibt es jedoch noch einige Herausforderungen zu bewältigen. So stammt der Strom für Elektroautos nicht aus einer einzigen Akkuzelle, sondern aus einem Akkupaket, das aus Hunderten oder sogar Tausenden von Zellen bestehen kann. Dazu kommen Wärmeregulierungssysteme und andere Komponenten. »Wir haben bisher nur mit einzelnen Zellen experimentiert und müssen nun einen Weg finden, dies auf ein ganzes Batteriepaket zu übertragen«, erklärt Gao. Zudem muss die Sicherheit der wiederbelebten Zellen umfassend getestet werden.

Laut Hans Eric Melin, Experte für Batteriewiederverwendung und -recycling und Geschäftsführer von Circular Energy Storage, einem in London ansässigen Beratungsunternehmen, könnte der Vorschlag der chinesischen Forscher kommerzielle Chancen haben. Allerdings gibt er zu bedenken, dass der Markt derzeit noch recht klein sei, weil die Lebensdauer eines LFP-Akkus bis zu 15 Jahre betragen kann. Außerdem müssten die Akkus künftig so konstruiert werden, dass der Elektrolyt ohne viel Aufhebens eingespritzt werden kann. Mehr als bei anderen Recycling-Methoden bleibe daher die Frage, ob die Vorteile die nötigen Änderungen überwiegen.

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  • Quellen
Nature 10.1038/s41586–024–08465-y, 2025

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